«Für Math heisst es jetzt: Olympia only»
In seinem fünften Fit-for-Life-Blog spricht Flückiger über die Bedeutung von Olympischen Spielen und seine Vorbereitung. Wir wünschen viel Spass beim Lesen
Olympische Spiele haben für jeden Sportler und jede Sportlerin eine ganz spezielle Bedeutung. Dies natürlich auch deswegen, weil sie nur alle vier Jahre durchgeführt werden und bereits die Teilnahme an Olympischen Spielen für viele Sportlerinnen und Sportler ein Höhepunkt in ihrer Karriere ist. Dazu ein Höhepunkt, der nicht einfach zu erreichen ist. Und in der Schweiz als Mountainbiker erst recht nicht. Die Olympischen Spiele sind auf der ganzen Welt bekannt, die Aussenwirkung ist enorm und alle wissen, dass eine Olympia-Medaille etwas Besonderes ist.
Ich konnte bereits zweimal an Olympischen Spielen teilnehmen. Dass ich nun zum dritten Mal in Serie dabei bin, macht mich stolz. Es ist eine Bestätigung, dass ich seit vielen Jahren in der absoluten Weltspitze vertreten bin. Eine Selektion für Olympia bedeutet auch eine Belohnung für die Konstanz eines Athleten.
Die Stimmung vor Ort habe ich bei den beiden bisherigen Spielen nicht als wahnsinnig erlebt. Das erste Mal in Rio ist mir nicht in besonderer Erinnerung geblieben. Wir wohnten etwas abseits und waren erst am letzten Wettkampftag an der Reihe, daher haben wir von den Spielen nicht viel mitbekommen. Und in Tokio dominierte die Pandemie und alle waren isoliert in ihren Wettkampfstätten. Nun bin ich gespannt, wie es in Paris sein wird. Ich freue mich, die Spiele aus einer ganz anderen Perspektive wahrnehmen zu können.
Bewährtes Höhentraining
Nach der Selektion im Juni war ich erleichtert, dass es geklappt hat, denn nach dem harzigen Saisonbeginn, bei dem ich dreimal krank wurde und während Monaten auf die Entscheidung zu den ungerechtfertigten Dopinganschuldigungen warten musste, wurde es doch noch sehr eng. Unmittelbar nach der Selektion wurde ich zwar nach der Streckenbesichtigung in Paris noch einmal ein paar Tage krank, doch seither ist alles nach Plan gelaufen und ich konnte mich mit einem längeren Höhentrainingslager in Silvaplana, auf 1800 Meter, seriös und ruhig vorbereiten. Der Rest der Nationalmannschaft weilte auf dem Berninapass. Ich wollte jedoch nichts Neues ausprobieren und blieb lieber etwas weiter unten im Tal. Letztendlich spielt in einem Höhentraining auch der mentale Aspekt eine wichtige Rolle. So bietet mir ein Ort wie Silvaplana mehr fürs Gemüt und mehr Abwechslung als die rauhe Umgebung auf dem Pass.
Zudem ist ein Höhentraining immer auch ein bisschen «Russisch Roulette», welche Höhe man wirklich verträgt. Mehr Höhe verspricht zwar theoretisch eine etwas grössere körperliche Adaption, birgt aber auch die Gefahr, dass man sich schneller auslaugt. Ich habe schon einige Athleten erlebt, die es in einem Höhentraining «verbrannt» hat, deshalb setzte ich auf eine gemässigte Variante, von der ich weiss, wie ich reagiere. Schlussendlich will ich mit dem Höhentraining nicht übers Ziel hinausschiessen, sondern es möglichst genau treffen. Der genaue Effekt des Höhentrainings lässt sich ohnehin nicht exakt vorausbestimmen, das ist auch bei mir von Jahr zu Jahr unterschiedlich.
Letzter Feinschliff zu Hause
Das Olympia-Rennen der Männer findet am 29. Juli statt. Zwei Wochen vor dem Wettkampf bin ich vom Engadin nach Hause gereist für den letzten Feinschliff im Training und die mentale Vorbereitung. Grosse Experimente gibt es dabei keine. Ich fokussiere mich auf mich und meine Stärken.
Je nach Wetterlage versuche ich mich noch an Hitze zu gewöhnen. Diese kann ein Thema werden, muss aber nicht. Und unser Rennen ist ja nicht direkt in Paris, sondern etwas ausserhalb. Sollte es dann wirklich heiss werden, gibt es keine «Raketenwissenschaft», mit der man andere überraschen könnte. Die gängigen Kühlmethoden praktizieren eigentlich alle, also den Körperkern im Vorfeld möglichst mit einer Weste herunterkühlen. Im Rennen selbst ist Wasser die wichtigste Kühlmethode.
Umgang mit der Leere danach
Die Strecke verspricht ein schnelles Rennen, aber es hat auch viele Höhenmeter, einfach wird es daher nicht. Viele spekulieren, ob bis am Schluss eine grosse Gruppe zusammenbleiben kann. Im Testevent gab es allerdings keine grosse Gruppe. Es wird sicher ein hochklassiges Rennen, denn alle wollen eine Medaille. Bei Olympia sind die Allerbesten am Start. Es ist jedoch bedauernswert, dass bei uns Schweizern oder auch den Franzosen mehrere Fahrer nicht dabei sein können, die auch um Spitzenränge mitfahren können. Durch die kleine Anzahl an Quotenplätzen – maximal zwei Fahrer pro Nation – können nicht alle potenziellen Medaillenanwärter für Olympia nominiert werden.
In den letzten Wochen heisst es für mich nur noch: Olympia only! Über den Rest der Saison mache ich mir noch keine Gedanken. Was aber nicht heisst, dass ich nicht schon geplant habe, wie es weitergeht. Ich will jetzt im Vorfeld von Olympia einfach noch keine Emotionen daran verschwenden und mich voll und ganz auf Paris konzentrieren. Aber von Tokio habe ich gelernt, dass die Nachbereitung eines solchen Höhepunktes auch geplant werden muss, denn viele Spitzensportler fallen danach in eine Leere. Das ging auch mir so und damit hatte ich nach Tokio nicht gerechnet. Mental war ich bei der folgenden WM 2021 in Val di Sole daher noch nicht bereit, obwohl ich in Topform gewesen wäre.
Das will ich dieses Mal besser machen. Deshalb plane ich so, als hätte ich Erfolg in Paris und ich gebe mir genügend Tage danach, um mit der Leere umzugehen und wieder auf die richtige Spur zu kommen für die WM und den Rest der Saison.
Der nächste Trail Talk erscheint am 12. September im Fit for Life!